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Die milde



        und die raue







        Seite Gottes










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        ... Allerdings, diese liebevolle Ge-  den Jünger Thomas zugewandt       leben kämpfen. Als sie ihn auf-
        genwart Gottes besitzt eine Vor-    hat (Johannes 20,24-28) oder        wecken, klingen seine  Worte
        derseite und eine Rückseite, eine   dem suchenden Zachäus, als er       nicht sehr verständnisvoll.  „Wa-
        milde und eine raue Seite. Gottes   an dem Baum vorüberkam, hin-        rum habt ihr solche Angst?“, fragt
        milde Seite können wir neben        aufschaute und rief:  „Zachäus,     er. „Habt ihr immer noch keinen
        vielen anderen Beispielen in den    komm schnell herunter! Ich muss     Glauben?“ (Markus 4,40).
        Evangelien an der Art und Wei-      heute in deinem Haus zu Gast
        se wahrnehmen, wie Jesus nach       sein“  (Lukas  19,5).  Diese  milde   Auch ich habe seine raue Liebe
        seinem Tod Maria von Magdala        Seite steht bei dem Bild, das wir   schon erlebt. Wenn ich ans Äl-
        begegnet:  „Maria!“, sagte Jesus.   von Jesus haben, oft im Vorder-     terwerden denke, kann ich mir
        Da wandte sie sich um und rief:     grund, das ist der Jesus, wie wir   nicht vorstellen, einmal ein alter
        „Rabbuni!“ (Das bedeutet „Meis-     ihn Kindern gern vermitteln.        weiser Mann zu werden.  Viel-
        ter“.) Johannes 20,16                                                   mehr steht mir vor Augen, je älter
                                            Doch die liebevolle Gegenwart       ich werde, immer mehr ein Kind
        Wie viel Zärtlichkeit schwingt in   Gottes hat auch eine raue Seite.    zu werden, so wie es Jesus sagte:
        diesem einen Wort von Jesus mit,    Das sehen wir zum Beispiel dar-     „Wenn ihr nicht wie die Kinder
        wenn ich mir das ganze Gesche-      an, wie Jesus Petrus zurechtweist:   werdet …“ (Matthäus 18,3). Als
        hen vorstelle! So spricht er auch   „Geh weg von mir, Satan! Du         mich vor etwa zwei Jahren in ei-
        meinen Namen immer wieder           willst mich zu Fall bringen. Was    ner Gebetszeit dieser Wunsch be-
        einmal aus! Maria hatte ihn nicht   du denkst, kommt nicht von Gott,    wegte, war es mir, als wollte mich
        erkannt, für den Gärtner gehal-     sondern ist menschlich!“ (Matthä-   Gott daran erinnern, dass zum
        ten und war an ihm vorbeigegan-     us 16,23). So barsch konfrontiert   Kindsein auch gehört, verletzlich
        gen, an dem, den sie so suchte!     Jesus seinen Jünger, der ihn von    zu sein. Ich spürte, dass dies der
        Da nannte er sie beim Namen:        einem Leidensweg abbringen          Preis ist, den ich zu zahlen bereit
        „Maria!“ „Werner!“ In seinem        will. Ein anderes Beispiel ist die   sein muss, wenn ich im Alter un-
        Erbarmen wendet er sich mir so      Stillung des Sturms. Jesus schläft,   schuldig, verspielt und lebens-
        zu, wie er sich seinem zweifeln-    während seine Jünger ums Über-      froh wie ein Kind leben will. Es



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